TOTUS TUUS, MARIA !

SONNENAUFGANG IN DER SEELE

Betrachtung von der heiligsten Jungfrau Maria inspiriert

an Myriam van Nazareth

Öfters bereits lehrte die Herrin aller Seelen, dass die wahre Liebe die Essenz allen Lebens ist, der Brennstoff, der die ganze Schöpfung bewegt und durch welchen sie sich im Gleichgewicht halten muss. Die wahre Liebe ist die Kraft, durch welche Gott die Schöpfung vollbracht hat, durch welche Er für die Menschenseelen die Erlösung aus den ewig währenden Wirkungen der sich in ihnen vollziehenden Zerstörungswerke der Finsternis erschlossen hat, und die Kraft, durch welche Er versucht, in jeder von ihnen die Heiligung zu vollziehen, und zwar durch sämtliche Vermittlungen Seiner Vorsehung und Seiner ganzen Werke in den Herzen. Die wahre Liebe ist auch die Kraft, durch welche Gott Seine Schöpfung instand zu halten versucht, indem sie darauf abzielt, alle Werke der Finsternis auszugleichen, die ständig versuchen, Gottes Werke zu vernichten, zu unterminieren, unwirksam zu machen oder diese sogar derart zu verunstalten, dass sie für ihre eigenen Zielsetzungen eingesetzt werden können. Der Knotenpunkt, durch welchen sowohl die Werke des Lichtes als jene der Finsternis ihre konkrete Auswirkung zustande bringen, ist die Menschenseele.

Jede Handlung, jedes Versäumnis, jedes Wort, jeder Gedanke, jedes Gefühl, jeder Wunsch oder jede Bestrebung, wodurch eine Menschenseele Gottes Werken der Liebe nicht dient, sie diesen entgegenwirkt oder sie diese solchermaβen verunstaltet, dass sie von der Finsternis für die Verwirklichung der Bedürfnisse von Gottes Gegenüber eingesetzt werden können, bildet eine Abweichung von Gottes Gesetz der Liebe und schwächt das Göttliche Leben in der ganzen Schöpfung. Solche Abweichungen werden als Untugenden bzw. als Sünden bezeichnet. Eine Untugend ist jede Verfassung oder jede Handlung, welche die Fruchtbarkeit der Seele für Gottes Werke und für Gottes Heilsplan herabsetzt. Die Sünde wurde einst von der Herrin aller Seelen folgendermaβen definiert: Die Sünde ist jede Wirkung, die in der Seele zur Entwicklung kommt und von der Seele ausgeht, in der eine Abweichung von der ewigen Göttlichen Wahrheit enthalten ist und wodurch Gottes Heilsplan für die Seelen erschwert, diesem entgegengewirkt oder aber dieser nicht gefördert wird oder wodurch dieser Plan in der Seele verschmutzt wird. Die Sünde ist die Verwirklichung der Versuchung, die Frucht, die aus der Saat der Versuchung wächst. Der Unterschied zwischen Untugend und Sünde liegt vor allem darin, dass eine Untugend all dasjenige ist, was die Fruchtbarkeit der Seele für Gottes Plan, und somit die Fruchtbarkeit ihrer eigenen Lebensberufung, verringert, während von 'Sünde' vielmehr dann die Rede ist, wenn die Seele durch etwas, das von ihr ausgeht, Gottes Plänen oder Werken tatsächlich entgegenwirkt. Eine Untugend basiert oft auf einer Gewohnheit, die im spirituellen Sinne unfruchtbar ist (zum Beispiel im Rahmen eines Verhaltensmusters, oder eine unreine Herzensverfassung), während es sich bei der Sünde vielmehr um einen (entweder vereinzelten oder sich wiederholenden) Verstoβ gegen Gottes Gesetz handelt, wobei plötzlich einer Versuchung nachgegeben wird, die zu einem Verhalten, einem Gedanken, einem Gefühl oder einem Wunsch führt, das bzw. der nicht mit Gottes Gesetz der Liebe vereinbar ist.

Jede Sünde und jede Untugend ist die Frucht einer Unvollkommenheit in der Anwendung der wahren Liebe, und somit das Kind eines Keimes des Ungehorsams im Herzen Gott gegenüber.

Die Herrin aller Seelen weist darauf hin, dass eine Unvollkommenheit in der wahren Liebe immer mit einer Unfähigkeit der Seele im Zusammenhang steht, über sich hinauszuwachsen, mit einer Unfähigkeit, sich von der eigenen Menschlichkeit loszureiβen, mit anderen Worten mit einer Unfähigkeit, sich von der Neigung loszulösen, ihre eigenen Bedürfnisse (oder dasjenige, was sie selbst aufgrund ihrer Einstellung und ihrer Erwartungen vom Leben als Bedürfnisse empfindet) zu befriedigen. Es geht also darum, dass es der Seele nicht ausreichend gelingt, oder aber dass sie sich nicht ausreichend danach sehnt, sich hinter ihre Mitgeschöpfe zu stellen, und dass sie sich somit nicht bedingungslos zugunsten ihrer Mitgeschöpfe hingibt. Mit anderen Worten: Es geht darum, dass sich die Seele wie auch immer zu gewissen Zeitpunkten (oder aber während längerer Zeit, falls es sich wirklich um eine Neigung handelt) für wichtiger als ihre Mitgeschöpfe hält.

Diese Neigung können wir mit Recht als die wahre Essenz des Fluches der Erbsünde betrachten: Es ist diese Neigung, die durch die Erbsünde wie Unkraut in die Menschenseele ausgestreut worden ist, und von welchem sich jede Seele im Laufe ihres Lebens auf Erden befreien soll. Die Fruchtbarkeit der Menschenseele und ihres irdischen Lebens lieβe sich mit einem Garten vergleichen. Jede Seele trägt in sich die Samen einer riesigen Verschiedenheit von Blumen, Sträuchern und Bäumen, die sie gemeinsam zu einem Paradies machen sollen, zu einem Lustgarten vor Gottes Augen aber auch für jedes Mitgeschöpf, das den Garten der Seele besucht (mit anderen Worten: das von Gottes Vorsehung mit der Seele in Berührung gebracht wird). Diese Blumen, Sträucher und Bäume müssen unaufhörlich durch das Wasser Göttlichen Lebens beflossen werden, das wir als das Grundwasser betrachten können, das durch den Regen der Gnade gebildet wird. Dieser Regen wird von der Seele oft nicht als Segen erkannt, denn er fällt oft in den Garten nieder während der Stunden, in denen sie einem inneren Kampf ausgeliefert ist (Licht und Finsternis bedienen sich einer jeden Seele als eines Schlachtfeldes, auf dem sie ihren ständigen Krieg für bzw. gegen die Auswirkungen von Gottes Heilswerken führen) und die sie deswegen als Schmerz und Leid empfindet. Die Momente in denen es regnet, sind die Augenblicke, in denen sich die Sonnenstrahlen von Gottes Liebe anscheinend vor dem Seelengarten verbergen. In Wirklichkeit allerdings, bereiten sie eine neue und gröβere Fruchtbarkeit vor, vorausgesetzt, der Boden der Seele nimmt den Regen der Gnade in sich auf. Wenn sich der Boden Gottes Regenschauern verschlieβt bleibt das Wasser Göttlichen Lebens auf dem Boden stehen und wird die Seele früher oder später zu einem Sumpf, in welchem sie selber und jeder, der mit ihr in Berührung kommt, als 'Gefangene der Erde', d.h. als Gefangene der Finsternis unterzugehen droht. Die Seele wird dann zu einem Faktor des Leids für ihre Mitgeschöpfe, und zu einem Stolperstein für die Verwirklichung von Gottes Werken und Plänen.

In jeder Menschenseele tritt die Neigung, sich selbst ungenügend hinter ihre Mitgeschöpfe zurückzustellen, in vielen Umständen und Ereignissen und an vielen Punkten des Lebens zutage. Im Laufe ihres ganzen Lebens betrachtet, versagt jede Menschenseele viel öfter in der Anwendung der wahren Liebe als sie erkennt bzw. zu erkennen bereit ist. Dort liegt der Schlüssel für die seelische Blüte und für die Reinigung der Seele von allem, was sie verschmutzt, und dafür, jede Spur und jede Wirkung der Finsternis in ihr durch Licht zu ersetzen. Die Seele kann ihr eigenes Schicksal – entweder ewige Glückseligkeit oder Verdammung – durch die Art und Weise gestalten, wie sie sich dieses Schlüssels bedient. Dieser Schlüssel ist der Schlüssel der wahren, selbstlosen, bedingungslosen, beharrlichen Liebe zu jedem Mitgeschöpf: zu allen Mitmenschen, zu allen Tieren, zur ganzen lebendigen Schöpfung.

Es folgen die Ratschläge der Königin von Himmel und Erden, die der Spiegel von Gottes Herzen ist, Diejenige, Die unbefleckt geboren und unbefleckt geblieben ist, die verkörperte Heiligkeit: Die Seele soll jede Einzelheit ihres Alltags derart leben, dass sie ständig versucht, die vier nachfolgenden Vorgänge zur Auswirkung zu bringen, welche ihr ganzes Leben lang ununterbrochen ineinander hinüberflieβen sollen, ähnlich wie eine geschmierte Kette über ein Zahnrad läuft:

Die Seele soll:

  1. erkennen, dass sie hin und wieder in der Selbstverleugnung ihren Mitgeschöpfen gegenüber versagt. Im Laufe eines ganzen Menschenlebens kann dies Tausende Male der Fall sein, manchmal unbewusst und sogar unerkannt (die Seele sieht durchwegs nicht alle Auswirkungen ihrer eigenen Handlungen, Worte, Gedanken, Gefühle und Bestrebungen auf ihre Mitgeschöpfe, und noch weniger auf die Entwicklungen von Gottes Heilsplan);
  2. alle Situationen erkennen und erkennen lernen, in welchen sie in der bedingungslosen, selbstlosen Liebe gegenüber einem Mitgeschöpf (Mensch und Tier, sogar der lebendigen Natur) versagt, damit sie zu einer besseren Erkenntnis von der Art und Weise und von dem Ausmaβ kommt, wie sie dabei ist, ihre eigene Rolle innerhalb von Gottes Heilsplan zu erfüllen oder eben nicht (oder ungenügend, oder auf eine unreine Weise);
  3. aufgrund der also erworbenen Erkenntnisse sich selbst tiefer kennenzulernen: Was trage ich innerlich an Finsternis aus meinem ganzen Leben mit mir herum? Entlang welcher Wege pflege ich mich zu verhalten, zu denken, zu fühlen, zu wünschen, mit anderen Worten: In welchen Punkten bin ich unfruchtbar und ungenügend fruchtbar hinsichtlich der Erfüllung der von Gott für mich vorgesehene Rolle in diesem Leben?
  4. dies alles dem Feuer einer aufrichtigen Reue ausliefern. Wahre Reue ist ein kraftvoller Generator wahrer Liebe. Sie ist die Herzensverfassung, in welcher die Seele durch die Erkenntnis von der Unvollkommenheit ihrer Liebe zu Gott, zu Seinen Werken und Plänen, zu einem oder mehreren Mitgeschöpfen und zu dem einmaligen Wunder getroffen wird, das Gott in ihr zu verwirklichen versucht (jede Seele und der Heiligungsvorgang ihres Lebens auf Erden ist ein einmaliges Wunderwerk, das Gott während des irdischen Lebens der Seele voll zur Entfaltung zu bringen versucht).

In dem Maβe, wie sich die Seele die Entwicklung dieses ganzen Vorgangs zu Herzen nimmt, und sie ständig versucht, diesen Vorgang zu verfeinern und ihn zweckmäβiger und dadurch fruchtbarer zu gestalten, kann sie zu einer vollkommenen Wiedergeburt kommen, d.h., kann sie zu einer Seele werden, die dem Idealbild der Seele, wie Gott sie beabsichtigt hatte, immer näher kommen.

Letztendlich bildet das Ganze sämtlicher Einzelheiten aus dem Leben der Seele, in welchen sie nicht zur bedingungslosen Selbstverleugnung zugunsten einer oder mehrerer Mitgeschöpfe gekommen ist, das Ganze ihrer Schuldenbürde gegenüber Gott und Seinen Werken und Plänen, gegenüber der ganzen Schöpfung und gegenüber bestimmten Mitgeschöpfen, die von Gottes Vorsehung auf ihren Lebensweg gebracht worden sind. Bei jedem Kontakt zwischen der Seele und einem Mitgeschöpf hegt Gott bestimmte Erwartungen der Seele gegenüber. In dem Maβe, wie ihr Verhalten und ihre Verfassungen während eines solchen Kontaktes keine vollkommene und bedingungslose wahre Liebe in sich tragen und die Seele also nicht von einem alles beherrschenden Sehnen danach getrieben wird, den Kontakt gemäβ Gottes Gesetz und somit zur Förderung Seiner Werke verlaufen zu lassen, versagt die Seele hinsichtlich dieser Erwartungen und besteht sie nicht die Prüfung der Anwendung der wahren Liebe.

Erkennen wir voll und ganz diese Wahrheit: Ein durchschnittliches Menschenleben setzt sich aus Tausenden, sogar Millionen von Prüfungen hinsichtlich der Fähigkeit der Seele zusammen, Gottes Gesetz der wahren Liebe auf eine fruchtbare Weise in Anwendung zu bringen. Betrachten wir mal eine Menschenseele, die fünfzig Jahre lang auf dieser Erde lebt. Eine Lebensdauer von fünfzig Jahren setzt sich aus 50 x 365 = 18.250 Tagen zusammen. Erkennen wir auβerdem, dass sich jeder Tag aus einer Verkettung von Tausenden Momenten zusammensetzt (während jeder Sekunde des Lebens ist ein Menschenherz mit einem bestimmten Inhalt, einem bestimmten Gefühl, einer bestimmten Gesinnung gefüllt, und dies alles kommt in guten oder weniger guten Gedanken, Handlungen und Wirkungen einem oder mehreren Mitgeschöpfen gegenüber zum Ausdruck). Unsere Gedanken und Gefühle beeinflussen sogar jenen übergroβen Teil der Schöpfung mit welchem wir zu den betreffenden Zeitpunkten keinen Kontakt haben: Die Verfassung einer jeden Menschenseele zu jeglichem Zeitpunkt geht ständig durch die ganze Schöpfung, kein einziger Gedanke bleibt ohne Wirkung (wenn auch die Seele dies in ihrer beschränkten Wahrnehmung nicht merkt)... Millionen von Signalen gehen im Laufe eines Menschenlebens von jeder Seele aus, und helfen Licht und Finsternis über die Schöpfung ausbreiten, und tragen dadurch dazu bei, die Verwirklichung von Gottes Heilsplan voranzubringen bzw. diesen zu lähmen, zu unterminieren, ihm entgegenzuwirken, oder seine Richtung zu ändern...

Diese Erwägungen zeigen eindeutig wie viel gröβer die Schuld sein kann, die eine Seele ein Leben lang mit sich herumschleppt, als viele Seelen sich dies vorstellen. Keine Seele ist dazu imstande, sich jede Einzelheit ihres Lebens zu erinnern, in welcher sie auch nur im geringsten Maβe nicht hinreichend in wahrer, selbstloser Liebe gehandelt hat, und zwar jedem einzelnen Mitmenschen und jedem einzelnen Tier gegenüber, die sie auf ihrem Lebensweg vorgefunden hat, und wenn dies nur während eines einzigen Augenblicks der Fall war. Ein negativer Gedanke, ein negatives Gefühl, ein Wort oder ein Blick, die keine Wärme in sich tragen, dies alles geht während eines durchschnittlichen Menschenlebens viele Male wie kurze, unbeherrschte Blitze von einer Seele aus, und löst bewusst oder unbewusst, sichtbar oder nicht sichtbar Wirkungen aus, die einem oder mehreren Mitgeschöpfen nicht dabei behilflich sind, aufzublühen oder ihre eigenen Erfahrungen von Liebe zu entfalten. Jede Menschenseele ist dazu berufen, Gottes Gegenwart allen ihren Mitgeschöpfen gegenüber spürbar zu machen. Wie oft allerdings, hinterlassen Seelen sogar bei flüchtigen Kontakten vielmehr Spuren von Finsternis und Kälte auf dem Lebensweg von Menschen oder Tieren, mit denen sie in Berührung gekommen sind...

Dies alles, wenn man es vor dem Hintergrund der ganzen Schöpfung betrachtet, bildet eine Schicht von Finsternis, die sich Tag für Tag um viele Millionen von Staubteilchen und sogar groβen dunklen Wolken ausdehnt. Für jeden einzelnen Menschen gilt, dass die Seele unvermeidlich Finsternis in sich trägt, die oft sogar durch das Sakrament der Beichte ungenügend 'eingehüllt' wird, es sei denn, es gelingt der Seele, eine richtig umfassende und tiefgreifende Reue über jegliche Unvollkommenheit in der Anwendung der wahren Liebe zu entwickeln, und ihr ganzes weiteres Leben tatsächlich aus einem alles beherrschenden Sehnen danach zu gestalten, jede Lebenssituation, jeden Kontakt mit einem Mitgeschöpf, und sogar jede innere Verfassung im Herzen und im Geist von der Fülle von Gottes Gegenwart beseelen zu lassen.

Gerade die Vielfalt von Augenblicken in einem Menschenleben, in welchen die Seele keine vollkommene, selbstlose Liebe in Anwendung gebracht hat bzw. bringt, rechtfertigt die These, dass keine Seele vollendet ist. Mit Ausnahme der Unbefleckten Empfängnis, die Ihr ganzes Leben lang ohne Sünde und Untugend ebenso wie ohne das geringste Element der Unfruchtbarkeit in ihren inneren Verfassungen geblieben ist, schleppt jede Seele eine Sündenbürde mit sich. Eigentlich lässt es sich so betrachten, dass  die vielen Augenblicke, in denen eine Seele während ihres Lebens wie auch immer nicht vollkommen die Verfassung der wahren Liebe lebt, zusammen eine Wolkendecke bilden, die sich ständig zwischen der Seele und der Sonne (Gott, der Quelle der wahren Liebe) aufhält. Jede Seele trägt (teilweise unbewusst, teilweise bewusst) ein gewisses Maβ an Finsternis mit sich. Die Empfindung dieser Finsternis in der Seele wird durch ihre eigenen Unvollkommenheiten in der Anwendung der wahren Liebe gebildet, zusammen mit der Erinnerung an Augenblicke, in denen sie selbst einen Mangel an Liebe seitens Mitmenschen ihr gegenüber empfunden hat. Somit ist es die Strömung der wahren Liebe durch die Schöpfung, die bestimmt, in welchem Maβe das Göttliche Leben in den Seelen zur Entfaltung kommen kann, Gottes Gegenwart in jeder Lebenssituation empfunden werden kann, und die letztendlich ebenfalls die Qualität des Lebens bestimmt. Die Seele mag noch so viele materielle Bedürfnisse befriedigen können, solange in ihr die wahre Liebe nicht wirklich zur Blüte gekommen ist, wird sie tief im Herzen keinen Frieden finden, und wird sie diesen Unfrieden auch in den unterschiedlichsten Weisen in ihrem ganzen Handeln ihren Mitgeschöpfen gegenüber an den Tag legen.

Wegen all dem lässt sich sagen, dass der Himmel über einem Seelengarten nie vollkommen wolkenlos ist. In jeder Situation und in jedem Augenblick ihres Lebens auf Erden, sogar dann, wenn sie ganz alleine ist, muss sich die Seele in einem nie aufhörenden Kampf gegen die drohende Verfinsterung ihres Gartens zu behaupten wissen. Das Schöne ist allerdings, dass die Menschenseele die Fähigkeit erhalten hat, auf aktive Weise zu jeglicher Wetterbesserung beizutragen: Sie ist nicht machtlos jeder Blockierung des Sonnenlichtes auf ihrem Boden ausgeliefert; sie kann aus ihren eigenen Herzensverfassungen heraus dabei helfen, dass die Sonne wieder durch die Wolken scheint. Die Sonne, welche die Seele aus ihrer Empfindung relativer Finsternis befreien kann, muss zunächst im eigenen Herzen aufgehen bzw. sich einen Weg durch die Wolken bahnen, dadurch, dass sich die Seele bewusst bemüht, die wahre Liebe in ihren ganzen Handlungen, Worten, Gedanken, Gefühlen und Bestrebungen anzuwenden, und dass sie beharrlich eine wahre Hoffnung, einen wahren Glauben und ein wahres Vertrauen in Anwendung bringt. Die Befreiung der Seele aus ihrer Erfahrung von Finsternis muss in dem Willen geboren werden, sich von innen heraus in Licht zu verwandeln. Die Seele soll nicht nur  Licht in sich aufnehmen (dies würde ihre Rolle innerhalb von Gottes Heilsplan auf ein passives Abwarten reduzieren, und somit auf die Erwartung, dass Gott Selbst alles für sie erledigen wird), sie soll sich selber in Licht verwandeln. Der Wille, sich in Licht zu verwandeln, heiβt im Grunde genommen ein alles beherrschendes Sehnen danach, ein Generator der wahren Liebe zu sein. Dieses Sehnen macht die Seele zu einem Magneten, der die Sonne (Gottes Gegenwart) immer wieder zu ihrem Garten hin zieht.

Konkret betrachtet, liegt der Schlüssel zur Befreiung der Seele durch Tilgung der Schuldenbürde, die aus jedem Versäumnis hinsichtlich der Anwendung der wahren, selbstverleugnenden Liebe sämtlichen Mitgeschöpfen gegenüber hervorgeht, nicht in einzelnen Versuchen, das Gute zu tun, sondern in der Entwicklung einer Herzensverfassung, die vollkommen auf dem beharrlichen Willen aufgebaut wird, von Natur aus und spontan zu jedem Zeitpunkt und in jeglicher Situation, in jeglichem Ereignis und Kontakt mit jeglichem Mitgeschöpf aus der Fülle des Gesetzes der wahren Liebe heraus zu tun oder nicht zu tun, zu sprechen, zu fühlen, zu denken und zu wünschen. Diese wahre Liebe basiert wesentlich auf einem selbstlosen Einsatz des ganzen eigenen Wesens zugunsten des Wohls eines jeden Mitgeschöpfes und zwecks Förderung  der Vollendung von Gottes Heilsplan. Diese Herzensverfassung muss die Seele so tief und so vollkommen beherrschen, dass sie keine Liebe anwendet, sondern dass sie im tiefsten Sinne des Wortes selber Liebe IST und diese Liebe so um sich verbreitet, als wäre nicht sie (die Seele) zugegen, sondern Gott Selbst. Die Seele in der Herzensverfassung der wahren Liebe ist ein makelloser Spiegel von Gottes Gegenwart, ein störungssicherer Schalter auf der Stromleitung, die von Gott aus durch die Seelen zu der ganzen Schöpfung läuft.

Diese Verfassung der wahren Liebe, und dadurch ein neuer und bleibender Sonnenaufgang, kann in der Seele durch die Blüte der nachfolgenden drei Komponenten zur Entwicklung kommen:

  1. einer aufrichtigen, tiefen Reue wegen ihrer ganzen Unvollkommenheiten in der Anwendung der wahren Liebe in jeder Situation, in jedem Ereignis oder Kontakt ihres ganzen Lebens, in welchen sie auch nur im Geringsten Gott einem Mitgeschöpf gegenüber nicht vertreten hat;
  2. einer bewusst angenommenen Aussühnung solcher Versäumnisse durch einen protestlosen Gehorsam gegenüber Gottes Verfügungen und sämtlichen Vermittlungen Seiner Vorsehung im Leben, auch denjenigen, die für die unvollkommene Erkenntnis des Menschenverstandes unangenehm oder wenig sinnvoll erscheinen. Ein idealer Weg um diesem Punkt voll zur Blüte zu verhelfen, ist jener der vollkommenen, bedingungslosen und lebenslänglichen Weihe der Seele mit ihrem ganzen Leben und ihrem ganzen Wesen an die Heilige Jungfrau Maria, die Herrin aller Seelen;
  3. der Entwicklung eines aufrichtigen Willens, Wiedergutmachung zu leisten und beharrlich und spontan zu vermeiden, Handlungen, Verfassungen und Bestrebungen zu wiederholen, durch welche sich die Seele an sich selbst und an der Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse orientiert. Das heiβt, dass die Seele eine Herzensverfassung zu kultivieren bestrebt ist, durch welche sie in jeder Situation ganz spontan nur das Beste für jedes Mitgeschöpf bezweckt, und sich wahrhaftig voll und ganz dafür hingibt, zugunsten eines jeden Mitgeschöpfes, mit dem sie irgendwann durch das Wirken der Göttlichen Vorsehung in Berührung gebracht wird, einen richtig positiven Unterschied zu erwirken.

Jede Menschenseele ist Gegenstand des Kampfes zwischen dem Licht (Gott) und der Finsternis (Satan). Die Seele lädt jedes Mal eine Schuldenbürde auf sich, wenn sie einer Versuchung nachgibt: einer Inspiration von Seiten der Finsternis, die jede Menschenseele für die Verwirklichung von Werken einzusetzen versucht, die Gottes Plänen in die Quere kommen und somit die Gründung von Gottes Reich der Liebe und des Friedens auf Erden aufschieben. Jede Wirkung, welche die Finsternis durch die Milliarden von begangenen Sünden und Untugenden auf dieser Welt hat zeitigen können, trägt zu dem Elend bei, das wir Tag für Tag in dieser Welt feststellen müssen. Jede Seele kann aktiv dazu beitragen, dieses Elend auszurotten und die Schicht von Finsternis über der Schöpfung durchbrechen zu helfen, damit Gottes Licht leichter die Seelengärten erreichen kann. Diese Welt ist nicht von Natur aus dazu verurteilt, ein Ort des Elends zu bleiben, sie ist von Natur aus dazu bestimmt, ein Spiegel des Himmelreichs zu werden. Jede Seele kann diesen Traum dadurch zur Wirklichkeit machen, dass sie den aufrichtigen Willen hegt, selber ein Herd wahrer Liebe zu werden. Gottes Vorsehung bereitet jeder Seele Tag für Tag Gelegenheiten, diesen Herd anzuzünden, in jedem Kontakt mit Mitmenschen, Tieren, und der ganzen lebendigen Schöpfung. Der Herd ist das eigene Herz, das Feuer ist die wahre Liebe, das Brennholz ist das eigene Wesen, das dazu gemeint ist, restlos zu Diensten aller Mitgeschöpfe und des Göttlichen Heilsplans eingesetzt zu werden.

In Liebe, und zu Diensten der Herrin aller Seelen,

Myriam, den 22. August 2015

der Gottesmutter dargeboten, anlässlich Ihres Festes als Königin und Herrin aller Seelen